Volker Laue überrascht uns mit seiner neuen Werkgruppe, den Mangas.

Doch was bedeutet Manga überhaupt?

In Japan wird der Begriff „Manga“ gleichberechtigt mit „Comic“ (komikku) für alle Arten von Comics verwendet. Der Begriff setzt sich aus den Worten „mang” und „ga” zusammen, was auf deutsch übersetzt so viel heißt wie „komische“ oder „verrückte“ Zeichnung. In Japan zeichneten buddhistische Mönche schon ab dem 6. und 7. Jahrhundert Bildergeschichten auf Papierrollen. Dabei handelte es sich um Satire, in der sich Tiere wie Mönche benahmen.

Die heute verbreiteten Mangas zeichnen sich durch eine gleich bleibende Physiognomie aus, wodurch sie als eine eigenständige Darstellungsform er-scheinen. In allen Kulturen werden Mangas als moderne Comicfiguren gezeichnet, ohne deren spezifischen Eigenarten anzunehmen.

Da heute jede Mode perfekt vermarktet wird, gibt es Mangas nicht nur als ge-zeichnetes Comic, sondern auch als Zeichentrickfilm und als Spielzeug. Es hat sich eine ganze moderne Industrie darum entwickelt.

Angelehnt an James Rosenquist (The Serenade for the Doll after Claude Debussy), der reale Spielzeugpuppen als Vorlage nahm, malt Laue nach Fotos bekannter Personen und arbeitet, trotz eingeschränkter anatomischer Darstellung, die jeweilige Identität heraus. Große, fast porzellanhaft wirkende Augen, kurze Nasen und ein rundes Gesicht, wie sie Mangas so eigen sind, bleiben erhalten. Reflektionen, Falten und Knicke, in Verbindung mit teilweise extremen Farbkontrasten, lassen Laues Mangas in einer fast gläsernen Zerrissenheit erscheinen. Gefangen in ihrer eigenen Präsentation kommen einem die Persönlichkeiten irgendwie bekannt vor oder aber man versucht verzweifelt sie einzuordnen.

Laue gibt reale Persönlichkeiten und gemalte Personen wieder, die zur Ikone geworden sind. Er zwängt ihre Individualität in einen Kokon aus Farbe und Brüchen, der ihnen jede Entfaltungsmöglichkeit nimmt. Da dieser Kokon nahezu durchsichtig ist, kann er sie nicht mehr vor den Augen des Betrachters schützen und zeigt um so mehr die Zerbrechlichkeit der dargestellten Personen. Dreidimensional, als Puppen und in Geschenkkarton eingepackt, wirken seine Mangas noch weitaus lebloser als im Comic. Die wenig subtile und statische computergesteuerte Unverbindlichkeit einer Mangapuppe bleibt ihnen aber erspart.

Computeranimierte Comicfilme sind heute längst zur Selbstverständlichkeit geworden und viele zeigen hervorragende emotionale Ergebnisse. Doch was soll uns eine computergesteuerte Lara Croft denn zeigen oder eine künstliche „Geiz ist geil“-Figur? Geiz daran ist nur, dass man keine lebende Darstellerin mehr benötigt.
Ist dies der neue Zeitgeist? Sehen wir vielleicht bald mehr virtuelle Darsteller? Die Werbespots machen es uns bereits vor. Mona Lisa wird bei Laue zu einer Lolita und belehrt Francis Bacon eines Besseren. John Lennon erinnert durch seine jugendliche Darstellung an den Massenkult, an die Hysterie, die damals bei den jungen Fans ausgelöst wurde. Salvador Dali wirkt entrückt, in seine eigene surreale Welt zurückgesetzt. Einzig bei dem hier gemalten Andy Warhol wirkt die virtuelle Darstellung reizvoll, passt sie doch so wunderbar zu seinem künstlerischen Werk. Eine künstliche Marilyn Monroe lässt ihr Röckchen flattern und wirft Handküsse. Wie aufregend, es wird uns schlaflose Nächte bereiten. Doch gleichzeitig kommen auch ihre Verletzlichkeit und ihre Opferrolle zum Ausdruck. Es sind mit Ausnahme von dem Maler Francis Bacon alles Personen, die schon hundertfach durch die modernen Medien gezerrt wurden.
Einige von Ihnen haben dies mit dem Verlust ihrer Persönlichkeit, mache sogar mit ihrem Leben bezahlt.

Und auch hier gelangt Laue wieder zu der von ihm so hoch gehaltenen Pop-Art. Seine Mangas, die für ihn ausdrücklich nur ein beschränkter Zyklus sind, oder, wie er so treffend sagt, eine Affäre. Es ist für ihn eine Weiterführung seiner Pop-Art mit anderen darstellerischen Mitteln. Vor allem ohne die Serigrafie, eben reine Malerei. Er schließt den Kreis der malerischen Darstellung und ist politisch, wie er es selber von der Kunst verlangt. Er ist sich seinem Anliegen treu geblieben, Darstellungen zu verzerren und eine andere, ungewohnte Sichtweise darzustellen.


Sabine Prutscher